17.07.2014
 dab:Press
Autor: dab:Press

Pro­cess­min­ing, einen Pro­zess vi­su­a­li­sie­ren

Vor einiger Zeit nahm ich am 3. „Process mining Camp“, veranstaltet von der Firma Fluxicon, teil. Da wir uns bei der dab:GmbH schon seit geraumer Zeit mit dem Thema „Process mining“ beschäftigen und auch in Praxisprojekten erfolgreich damit arbeiten, hatte diese Veranstaltung sofort unser Interesse geweckt.

Über mehr als 10 Jahre hinweg hat die TU/e von Eindhoven die Entwicklungen der digitalen Datenanalyse verfolgt, und insbesondere Augenmerk auf die Evolution des Themas “Process Mining” gelegt. Fluxicon hat ihr Produkt „Disco“, welches anfänglich als Freeware konzipiert war, nun zu einem eigenständigen kommerziellen Produkt weiterentwickelt. Damit zeigen sie sich bereit, ihre nun erwachsene Lösung einem breiteren Markt anzubieten.

Aber seien wir ehrlich, zum einen ist Disco nicht das einzige Process Mining Produkt, und zudem wurde im Laufe der Veranstaltung deutlich, dass das Thema an sich – unabhängig von konkreten Tools - von Unternehmen im Moment noch nicht als selbstverständlich angesehen, geschweige denn Process Mining Tools dort als obligatorische Standardlösung eingesetzt werden.

Von weitem sieht alles perfekt aus: Man nimmt alle Daten, lädt sie in ein Produkt hoch und dieses zeigt einem per Klick auf einen Button, wie die Prozesse funktionieren. „Magie“, könnte man meinen.

In der Praxis beginnt die erste Enttäuschung bereits mit dem Teil “alle Daten”. Process Mining Werkzeuge benötigen ein sog. „Ereignisprotokoll“, also eine Schritt-für-Schritt-Listung für alle Vorgänge, die zusammenhängend als „Fall“ betrachtet werden. Diese Formulierungen stammen aus den Bereichen IT Support bzw. Help Desk und dies kommt nicht von ungefähr: Nahezu jedes Praxisbeispiel über den Nutzen von Process Mining ist in der Tat auch dort zu verorten.

Aber selbst in diesen relativ einfach gestrickten Fallbeispielen war die Aussage von Nutzern, dass siedie „80/20-Regel“ anwenden würden. D.h. 80 % der Zeit wird für das Sammeln, Vorbereiten und Hochladen der Daten aufgewendet, und nur 20 % verbleiben, um den eigentlichen Prozess tatsächlich im Detail betrachten und nach Anomalien suchen zu können.

Aber es gibt auch gute Nachrichten: Die Veranstaltung hat meine Überzeugung gestärkt, dass das Thema „Process mining“ in den nächsten 5 Jahren auf der Liste jedes Auditors / Process Engineers oder Datenanalysten stehen wird. Warum? Einfach weil Datenanalyse mehr sein muss, als nur mit einer einzigen, begrenzten Fragestellung an die Datenbestände eines Unternehmens heranzutreten.

Die Macht des Process mining liegt darin, dass man 100 % seiner Daten für einen bestimmten Prozess verwenden und diesen Ist-Zustand unvoreingenommen und logisch angeordnet betrachten kann, ohne dass man eine andere einfache Frage stellen muss außer „Wie arbeitet dieser Prozess in unserem Unternehmen?“.

Doch lassen wir uns von vereinfachten Marketing-Prozessgrafiken nicht blenden: Es war erstaunlich zu sehen wie komplex gerade der vermeintlich einfachste Prozess wird, wenn man den tatsächlichen Prozessfluss basierend auf Echtdaten betrachtet. Ein Blick auf die Geschäftsprozesse der beiden Banken ING und RABOBANK im Rahmen der Veranstaltung zeigte klar, dass sie alleine durch die Analyse einiger ihrer Kernprozesse bereits signifikante Einsparungen erzielen konnten.

Aus meiner Sicht ist das Thema Process Mining analog zu sehen wie die Einführung der digitalen Massendatenanalyse, die uns von der Verwendung von Stichproben hin zur Analyse der kompletten Grundgesamtheit geführt hat. Ähnlich wird die Entwicklung auch mit den Process Mining Werkzeugen verlaufen. Während in der Vergangenheit jemand gefragt hätte wie ein Prozess abläuft, und als Antwort die subjektive – und oft nicht korrekte oder komplette - Meinung mehrerer Leute bekommen hätte, ermöglicht es Process Mining, die Wahrheit zu betrachten. Das mag nicht immer das gewünschte Bild ergeben, aber es ist objektiv betrachtet der Ist-Zustand.

Ein anderer Grund der mich überrascht hat ist, dass jeder Redner erwähnte, ERP Systeme wie SAP® seien problematisch für die Anwendung von Process Mining, da die Datenstrukturen und Datenhaltung nicht auf die Betrachtung der Prozesse ausgelegt seien, sondern nur für einzelne Transaktionen. Das erklärte auch, warum bisher noch keiner der Referenten Daten aus dem ERP-System für die Ansätze benutzt hatte.

Hier zeigt unsere Projekterfahrung, dass dies durchaus keine Hürde sein muss, denn auch Daten aus Systemen wie SAP® lassen sich so aufbereiten, dass sie problemlos in Process Mining Tools zu integrieren sind.

So vertritt neben vielen Spezialisten aus dem Bereich auch Professor van der Aalst, Autor des Buches „Process Mining“, die Meinung, dass sobald die Datenaufbereitung/Datenbereitstellung gelöst ist, Process Mining volle Fahrt aufnehmen kann, da ab diesem Zeitpunkt alle Daten, die möglicherweise über Jahre hinweg im Unternehmen angelaufen sind, für die Analyse zur Verfügung stehen.

Was wird also die Zukunft hier bringen?

Analog zur Elektroauto-Revolution im Automotivebereich sehe ich in Process Mining ähnliches Potential. Und genau wie die Herausforderung für Elektroautos, sie durch geeignete, starke Akkus anzutreiben, liegt der Schlüssel im Process Mining ebenfalls im Antriebsmittel, in diesem Falle der korrekt aufbereiteten Datenbasis. Sobald diese vorliegen, sind spannende Ergebnisse ganz einfach zu bekommen.

Firmen, die Process Mining im Moment einsetzen, sind “Early-Adaptors” – jederzeit bereit für neue Wege. Datenextraktion und Datenaufbereitung sind Aspekte, die im Moment einem bereiteren Einsatz oft noch im Wege stehen. Doch wenn dieses gelöst ist, dann stimmt auch das Verhältnis für das Investment in Process Mining: Die 80% müssen dann nicht mehr in Datenzugriff- und Aufbereitung investiert werden, sondern in die Sichtung der Ergebnisse und das Ableiten von Maßnahmen daraus.

Als Fazit ist Process Mining ein Werkzeug der Zukunft, das bereits jetzt verfügbar ist. Natürlich braucht es, wie alle neuen Technologien und Ansätze, noch etwas Feinschliff, aber es kann bereits jetzt die entscheidende Hilfe sein, die internen und externen Prozesse zu verbessern – und damit auch, im Wettbewerb nach außen einen Vorteil durch interne Prozessverbesserungen zu erlangen. Ich für meinen Teil werde mit Sicherheit die Entwicklungen in diesem Bereich im Auge behalten, denn Process Mining trägt dazu bei, komplexe Sachverhalte, Zusammenhänge und Daten zu visualisieren, und das ist ganz klar eine der wichtigen künftigen Säulen der digitalen Datenanalyse.

Für Fragen oder Kommentare können Sie mich gerne unter info@dab-gmbh.de kontaktieren.


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