11.04.2018

Kostenlose Güter - Wenn Geschenke und Schnäppchen zum Problem werden

In diesem Blogpost behandle ich das Thema „Kostenlose Güter“. Sowohl bei Projekten für unsere Kunden, als auch in unserer dab:AnalyticSuite nimmt es eine wichtige Rolle ein und wird häufig nachgefragt. Es geht dabei um Aspekte wie Rentabilität aus Sicht der Kundenerfolgsrechnung, der Compliance (Bestechung durch Sachleistungen, Bildung schwarzer Kassen, Vorteilsnahme) oder schlicht des Monitorings möglicher IT-Schnittstellenfehlern die dazu führen können, dass ordnungsgemäße Lieferungen versehentlich nicht fakturiert werden.

Im Folgenden gehe ich auf verschiedene Facetten ein, die damit in Zusammenhang stehen können, und wie man aus Sicht eines Datenanalysten an diese Fragestellungen herangeht und die Ergebnisse interpretieren kann. Auch auf SAP® Datenstrukturen (Tabellen, Felder) wird eingegangen.

 

1. Worum geht es eigentlich?

Free Goods ist ein Thema, das hauptsächlich im Prozess O2C (Order to Cash) verortet wird. Vereinfacht gesagt geht es um die Frage, ob

  • „jemand“
  • „etwas“
  • „kostenlos*“

bekommen hat. Es ist eine Compliance Fragestellung – ist das, was kostenlos geliefert wird, konform zu internen und externen Regeln. (* auf das Attribut „kostenlos“ gehen wir später noch separat ausführlicher ein)

 

1.1 Jemand

Im Vertriebsbereich liegt der Fokus auf Empfänger von Gütern und Dienstleistungen. Dies können Endkunden sein, aber auch Vertriebspartner oder Außendienstmitarbeiter.

1.2 Etwas

Es kann sich um Muster handeln, Güter mit geringen Preisen und Marketingcharakter oder hochwertige Produkte.

1.3 Kostenlos

Das Attribut „kostenlos“ wird gerne verwendet, ist aber nur ein Aspekt des Themas. Auch Produkte zu einem sehr günstigen Preis (oder gar zu Dummypreisen) sind hier relevant.

 

2 Spielarten, Beispiele & valide Gründe

Es gibt verschiedene Szenarien, die hier aus Sicht der Datenanalyse relevant sein können. Dazu gehören Güter bzw. Produkte, die umsonst geliefert werden, oder auch zu einem unrealistisch niedrigen Preis. Beide Fälle sind ggf. auch entsprechend auf der Rechnung ausgewiesen. Weiter kann man in Erwägung ziehen, Lieferungen zu betrachten, zu denen weder Auftrag noch Fakturabeleg existiert. Ob man Inventurdifferenzen, also Lagerentnahmen ohne entsprechende Buchung noch unter dem Thema verortet, ist Geschmackssache, aus unserer Sicht eher nicht. Auch wenn es aus Sicht des Risikomanagements ein wichtiges Thema ist, das genau betrachtet werde soll, so gibt es natürlich auch valide Gründe, wieso solche Transaktionen im System zu finden sind. Einige davon habe ich Ihnen hier gelistet:

2.1 Kostenlose Güter

Ein Beispiel für Produkte mit einem ausgewiesenen Nullpreis könnten Materialien sein, die einem Hauptprodukt zugehören, aber nicht eigenständig verkauft und bepreist werden. So könnte zum Beispiel das Betriebshandbuch zur Waschmaschine auf dem Kundenauftrag aufgeführt sein, da es im Rahmen der Auslieferung mit beigelegt wird – allerdings zu einem Preis von 0 Euro. Ein anderes Beispiel wäre eine Werbeaktion: Für einen kurzen Zeitraum liegt jedem Fernseher der im Aktionszeitraum gekauft wird eine Blu-ray Disk mit dem neuesten Teil der Star Wars Serie bei. Dritte Möglichkeit wäre ein Naturalrabatt an Distributoren oder möglicherweise auch Endkunden. Bei einer Abnahme von 10 Stück wird kostenlos ein 11. Exemplar mitgeliefert und separat auf Auftrag und Rechnung zu einem Nullpreis aufgeführt. Auch unentgeltlich zur Verfügung gestellte Muster für Außendienstmitarbeiter können unter diese Kategorie fallen.

2.2 Lieferung zu einem unrealistischen Preis

Wird ein bestimmtes Produkt zwar fakturiert, aber das zu einem viel zu niedrigen Preis (etwa weit unter den Herstellkosten), so sollte das ebenfalls ins Auge gefasst werden. Auch hier können natürlich Rabattaktionen eine Rolle spielen, ähnlich wie am Beispiel des Naturalrabatts oben aufgeführt, also statt „kaufe 10 erhalte 1 Stück kostenlos“ könnte es auch lauten „kaufe 10 Stück und erhalte das 11. Stück für 1,00 Euro“. Eine weitere Möglichkeit wären Messeaussteller, die Vertriebspartnern gegen Zahlung einer Handling Pauschale zur Verfügung gestellt werden. So könnten 3 Weinkühlschränke als Messeaussteller für á 50 Euro ausgeliefert werden mit der Vereinbarung, dass diese nach der Veranstaltung wieder an den Hersteller zurückgegeben werden.

2.3 Lieferung ohne Rechnung

Begrifflich sollte man unterscheiden zwischen „Kostenloser Lieferung“ und „Lieferung ohne Rechnung“. Erste ist ein bewusster Vorgang, bei dem ein Vorgängerdokument (etwa eine Rechnung) existiert, aber wo der Preis für einzelne Güter oder der Gesamtbetrag null ist. Für Lieferungen ohne Rechnung dagegen existiert kein Vorgängerbeleg. Es existiert weder ein Auftrag, noch ein Fakturadokument, auf das die Lieferung referenziert. Hier stellt sich die Frage, ob es sich um eine bewusste Aktion handelt, oder um einen Fehler im Prozessablauf bzw. den IT Systemen. Auch wenn bewusst kostenlose Güter ausgeliefert werden sollen, so bietet sich in ERP Systemen wie z.B. die Möglichkeit, eine Auftragsart „Kostenlose Güter“ zu verwenden, und darauf basierend die Faktura (ohne Wert) und Lieferung anzustoßen.

 

3. Verdeutlichung einzelner Aspekte am Beispiel von SAP® Daten

Wie aus dem einleitenden Text ersichtlich ist, betrifft das Thema Free Goods die Teilprozesse Auftrag, Lieferung und natürlich Rechnungsstellung. Wenn man sich die Details betrachtet, dann sind auch die einzelnen Konditionen (Stammsätze und Historie) von Bedeutung.

Folgende Aspekte, Tabellen und Felder könnten von Interesse sein, wenn Sie sich dem Thema aus analytischer Sicht nähern möchten. Natürlich verweisen wir an dieser Stelle auch gerne auf unsere vorgefertigten Reports, die wir im Rahmen unseres Produkts dab:AnalyticSuite anbieten.

Aber für einen ersten Überblick ermöglichen Ihnen diese Informationen einen guten Einstieg:

3.1 Kostenloser Auftrag vs. Kostenlose Position

Wenn man in Dokumenten und Positionen denkt, kann man grundsätzlich zwischen „Kostenlosem Auftrag“ und „Kostenloser Position“ unterscheiden.

Bei einem kostenlosen Auftrag ist jede Einzelposition kostenlos, bei einer kostenlosen Position nur das jeweilige Item. Die Unterscheidung ist aus dem Grund wichtig, da kostenlose Aufträge anhand der Belegart in SAP® ermittelt werden können, kostenlose Positionen sich aber in Belegen mit „normalen“ Belegarten verbergen können.

Abbildung 1: Kostenloser Auftrag (links) vs. Kostenlose Position (rechts)

Aus diesem Grund ist im Folgenden der Prozess bis hin zur Faktura beschrieben, da auch hier kostenlose Positionen auftauchen können.

3.1 Vom Auftrag bis zur Faktura

Folgende Grafik zeigt wichtige Tabellen beginnend beim Auftrag bis hin zur Rechnungsstellung:

Abbildung 2: Der SD-relevante Teil des Prozesses O2C Order to Cash

Streng genommen ist der Ablauf hier nicht immer so linear, denn es kann zu Teilrechnungen oder Teillieferungen kommen. Auch kann zwischen Auftrags- und lieferbezogener Faktura unterschieden werden, so dass sich die Rechnung aus dem Auftrag ableitet und nicht aus der Lieferung. Da dies aber für unsere Betrachtung nicht zwingend relevant ist, erfolgt hier nur die vereinfachte Darstellung. Betrachten wir nun die einzelnen Schritte etwas detaillierter:

3.2 Auftrag

Aufträge werden in SAP® im Standard in den Tabellen VBAK (Verkaufsbeleg: Kopfdaten / Sales Document: Header Data) und VBAP (Verkaufsbeleg: Positionsdaten / Sales Document: Item Data) gespeichert.

Folgender Screenshot zeigt einen kostenlosen Auftrag

Abbildung 3: Screenshot eines kostenlosen Auftrags in SAP®

Nicht verwirren lassen sollte man sich von dem Ausdruck „Kostenlose Lieferung“. Es handelt sich, wie man auch am SAP® T-Code VA03 sehen kann, um die Anzeige eines Auftrags, gespeichert in VBAK/VBAP. Der aus Datensicht zugewiesene Dokumententyp ist „I“, was für „Kostenloser Auftrag“ steht. Die Belegart, die angezeigt wird, ist „KL“ für „Kostenlose Lieferung“. Näheres zu Belegarten vs. Belegtypen – allerdings zum Bereich Einkauf, aber es wird relativ analog gehandhabt, finden Sie in unserem Blogpost.

Nach dieser detaillierteren Betrachtung werfen wir noch kurz einen Blick auf die Tabellen für Faktura, Lieferung und Konditionen:

3.3 Lieferung

Lieferungen finden Sie in LIKP (Vertriebsbeleg: Lieferung: Kopfdaten /SD Document: Delivery Header Data) und LIPS (Vertriebsbeleg: Lieferung: Positionsdaten / SD document: Delivery: Item data). Die Lieferung kann datenseitig z.B. mit einem Auftrag als Vorgängerbeleg verknüpft sein und in Relation stehen.

3.4 Faktura

Rechnungen werden in SAP® in den Tabellen VBRK (Faktura: Kopfdaten / Billing Document: Header Data) und VBRP (Faktura: Positionsdaten / Billing Document: Item Data) gespeichert. Es gibt noch die Möglichkeit, Pro-Forma Rechnungen auszustellen, die keine Buchungen bzw. Belege in der Finanzbuchhaltung erzeugen und somit auch im Kontext kostenloser Güter auftauchen können.

3.5 Konditionen

Wichtige Ansatzpunkte für Konditionen sind die Tabellen KONV (Konditionen Vorgangsdaten / Conditions Transaction Data) und KONH (Konditionen Kopf / Conditions Header) bzw. KONP (Konditionen Position / Conditions Item).

Abbildung 4: Konditionsrelevante Tabellen KONV, KONH, KONP

Die Tabelle KONV umfasst die Konditionssätze pro Vertriebsbeleg und Vertriebsbelegposition, wie sie jeweils tatsächlich angewendet wurden. Man kann sich gut vorstellen, dass diese sehr groß sein kann. Neben dieser Protokollierung der Bewegungsdaten sind ggf. auch die Konditionsstammsätze relevant – hier wird man unter anderem in den Tabellen KONH und KONP fündig, in welchen die Konditionsstammsätze zu finden sind. Will man dagegen einen Blick auf die Konditionsfindung werfen, so umfasst diese zahlreiche weitere Konditions- und Customizingtabellen, die den Rahmen dieses Blogposts sprengen würden.

 

Fazit

Insgesamt ist das Zusammenspiel der einzelnen Teilprozesse in SAP® komplexer, als es im Rahmen eines Blogposts vermittelt werden kann. Ich hoffe, Ihnen trotzdem einen guten Überblick über das Thema „Free Goods“, inklusive verschiedener Facetten, Analyseansätze sowie Interpretationsmöglichkeiten für etwaige Ergebnisse gegeben zu haben. Für Fragen oder Anregungen kontaktieren Sie uns gerne jederzeit über die auf unserer Website angegeben Kanäle.


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