03.07.2014

Stu­di­um der Wirt­schafts­in­for­ma­tik und Da­ten­an­a­ly­se für prü­fen­de Be­rufe. - Eine sinn­vol­le und frucht­ba­re Syn­the­se der Fähig­keit­en und Ziel­setzun­gen.

Im Juni diesen Jahres konnte die dab:GmbH ihr 10-jähriges Bestehen feiern. Als klassisches Startup ist unsere Firma aus einem Spin-Off der Technischen Hochschule Deggendorf entstanden. Die Grundsteine unseres Mottos „Changing data into Knowledge“ wurden dabei in den Jahren 2002 und 2003 unter anderem in der Vorlesung „Finanzen und Controlling“ (jetzt: IT-Compliance & Audit und Monitoring) von Prof. Dr. Georg Herde gelegt, der mit der Einführung des Diplomstudiengangs Wirtschaftsinformatik bereits Ende der 90er Jahre das Thema der Datenanalyse vorantrieb. Aus diesem Grund freuen wir uns besonders, dass Prof. Herde zum Anlass unseres Jubiläums einen Gastbeitrag zu unserem Blog geschrieben hat.

Immer wieder werden wir von Kunden und Geschäftspartnern gefragt, was die Schlüsselqualifikationen guter Nachwuchskräfte im Bereich der digitalen Datenanalyse sind und auf welcher Basis man diese aufbauen sollte. Eine gute Ausgangsbasis stellt aus meiner Sicht ein Hochschulstudium der Wirtschaftsinformatik dar. Als interdisziplinärer Studiengang, der Aspekte der Betriebswirtschaft mit Schwerpunkten der IT symbiotisch in Einklang bringt, werden hier Grundlagen gelegt, die für eine Tätigkeit in der Datenanalyse ideal sind. Dies und mehr ist Teil des folgenden Beitrags von Prof. Herde.

Stefan Wenig

Stu­di­um der Wirt­schafts­in­for­ma­tik und Da­ten­an­a­ly­se für prü­fen­de Be­rufe - Eine sinn­volle und frucht­bare Syn­these der Fähig­kei­ten und Ziel­setzung­en.

Fragt man Studienanfänger[1] über ihre Vorstellung über den Studiengang Wirtschaftsinformatik, dann bekommt man gerade in jüngerer Zeit rechte diffuse und unterschiedliche Meinungen präsentiert:

Ideen über Webseiten- und Internetshopgestaltung, App-Programmierung, bekannte Firmennamen wie Google, Microsoft und SAP®, die Wirtschaftsinformatiker wohl einstellen würden bis hin zu differenzierten Vorstellungen über Datenbankanwendungen, IT-Sicherheit und SAP®-Beratung werden geäußert.

Alle diese Vorstellungen und Ideen sind nicht wirklich unzutreffend, allerdings konzentrieren sie sich auf Ausprägungen von Aufgaben- und Jobprofilen und streifen nur bedingt die grundlegende Idee dieses Studienganges.

Wirtschaftsinformatik besteht aus zwei Wortbestandteilen, nämlich „Wirtschaft“ und „Informatik“. In der Ausbildung wird beiden Bereichen Rechnung getragen mit der Zielsetzung, Studenten so auszubilden, dass sie an der Nahtstelle zwischen betriebswirtschaftlichen Fragestellungen und IT-basierten Lösungsansätzen gut aufgestellt sind. Sie sollen in die Lage versetzt werden, die Bedürfnisse der Betriebswirtschaft zu verstehen und zielgerichtet die Werkzeuge der Informatik zur Problemlösung einsetzen zu können.

An der Technischen Hochschule in Deggendorf gibt es den Studiengang Wirtschaftsinformatik seit dem Wintersemester 1999. In den letzten 15 Jahren hat der Studiengang unterschiedliche Änderungen erfahren. Formal wurde aus dem Diplomstudiengang ein Bachelorstudiengang mit der Möglichkeit eines ergänzenden Masterstudiengangs. Inhaltlich wurde der Studiengang den technologischen Änderungen als auch dem Bedarf der Industrie und Wirtschaft schrittweise angepasst.

Zurzeit werden den Bachelorstudenten in den höheren Semestern drei Schwerpunktbereiche angeboten, die ihnen ermöglichen, sich kurz vor Ihrem Abschluss zu spezialisieren:

  1. Entwicklung von Geschäftsprozessen
  2. IT-Sicherheit und IT-Controlling
  3. IT-Compliance & Audit und Monitoring

An dem letzten Schwerpunkt „IT-Compliance & Audit und Monitoring“ möchte ich exemplarisch verdeutlichen, wie das Zusammenspiel zwischen betriebswirtschaftlicher Fragestellung und IT-Lösung bereits in der Ausbildung verankert werden kann und welche Erkenntnisse den Studenten dabei vermittelt werden sollen.

Die Ausbildung an einer (Fach-)Hochschule ist bereits von der Konzeption her sehr praxisbezogen ausgelegt. Es wird als Alleinstellungsmerkmal angesehen, dass alle Hochschulprofessoren eine mehrjährige berufliche Praxis aufzuweisen haben, bevor sie den Ruf an einer Hochschule annehmen. Meine beruflichen Erfahrungen liegen im Bereich der Wirtschaftsprüfung und waren Motivation im Studiengang Wirtschaftsinformatik, diesen Aspekt in die Lehre einfließen zu lassen.

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Interne Revisoren und Betriebsprüfer der Finanzverwaltungen werden im Folgenden zur Gruppe der „prüfenden Berufe“ zusammengefasst, denn allen Angehörigen dieser Berufe eint mindestens ein Umstand: Sie alle sollen, mit unterschiedlicher Gewichtung, in wirtschaftlich vertretbarer Zeit einen Überblick über das Geschäftsgebaren einer Unternehmung bekommen, sich ein Urteil bilden über die Rechtmäßigkeit, Ordnungsmäßigkeit und Vollständigkeit der Geschäftsvorfälle und Aussagen über die Werthaltigkeit von Vermögens- und Schuldenständen geben können, bzw. feststellen ob die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung richtig ermittelt wurde.

Erschwert wird diese Aufgabenstellung durch die Tatsache, dass seit Jahrzehnten betriebliche Transaktionen und Geschäftsprozesse in IT-Systemen abgebildet werden und die Ausbildung vieler Angehöriger in den prüfenden Berufen eher von der juristischen und betriebswirtschaftlichen Seite dominiert wird. Die IT erfährt dabei eher ein Schattendasein in deren Ausbildung und Berufsexamina.

Diese Nahtstelle zwischen betriebswirtschaftlicher Anforderung und dem Vorhandensein der notwendigen Informationen in IT-Systemen stellt m.E. ein Paradebeispiel für den Aufgabenbereich von Wirtschaftsinformatikern dar.

Der oben genannte Schwerpunkt „IT-Compliance & Audit und Monitoring“ trägt dieser Herausforderung in der Ausbildung Rechnung. Die Veranstaltung wird in Form eines Seminars durchgeführt, und ohne auf die Modulbeschreibung im Einzelnen einzugehen werde ich kurz die Hauptmerkmale und die für die Studenten zu gewinnenden Erkenntnisse anhand folgender Aspekte skizzieren:

  1. Fragestellung
  2. Datenbeschaffung
  3. Datenaufbereitung und Interpretation
  4. Transformation der Fragestellung in einen Algorithmus
  5. Nebenaspekte

Frage­stel­lung

In einem ersten Schritt gilt es für die Studenten eine selbstgewählte Fragestellung zu entwickeln, die im weitesten Sinne im Rahmen einer Prüfung gestellt werden kann. Die Bandbreite reicht von persönlichen Fragestellungen bis zu vom ERP-System geprägten Aufgabenstellungen, z.B.:

  • „Ist der gegenwärtige Telefonprovider für das vorliegende (individuelle) Telefonnutzungsverhalten die kostengünstigste Alternative?“,
  • „Korrespondiert die Vergütungsabrechnung des Energieversorgers bezüglich der selbstbetriebenen Photovoltaikanlage mit den Schätzungen bei der Inbetriebnahme und den Aufzeichnungen der Anlage?“,
  • „Existieren mehrere Stammdatensätze bezüglich potentiell identischer Debitoren bzw. Kreditoren in einer Finanzbuchhaltung?“ oder
  • „Gibt es Besonderheiten in den Materialstammdatensätzen (Doppelte Stammsätze, nicht gepflegte Einstandspreise, …) und den verbundenen Transaktionsdatensätzen (keine Bewegungen mehr seit Monaten, …)?“

In diesem Zusammenhang ist es von Bedeutung, dass die Studenten Ihre Kenntnisse von Compliance- und Datenschutzaspekten mit in die Fragestellungen einfließen lassen. Die gewählte Fragestellung selbst ist grundsätzlich losgelöst von der Verfügbarkeit entsprechender Daten. Die Seminarpraxis zeigt aber, dass für die Durchführung der Arbeit Fragestellungen gewählt werden, zu denen auch aussagefähige Daten vorliegen. Erfahrungsgemäß ist die Identifikation mit der Aufgabenstellung umso höher, wenn ein Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit von Daten und der Fragestellung besteht.

Da­ten­be­schaf­fung

Dieser Schritt ist in erster Linie nicht unbedingt technischer Natur. Hier lernen die Studenten, dass die Datenbeschaffung sehr wohl auch politische, datenschutzrechtliche und organisatorische Aspekte haben kann.

Solange die Daten im persönlichen Umfeld der Studenten gewonnen werden können, sind diese Aspekte nicht zu stark ausgeprägt, werden aber in der Arbeit diskutiert. Sofern Echtdaten von Unternehmen zur Verfügung gestellt werden ist hier eine sehr hohe Sensibilität erforderlich. Datenschutz- und Vertraulichkeitsaspekte sind in höchstem Maße zu berücksichtigen.

Die Durchführung der Arbeit hängt nicht von den konkreten Einzeldatensätzen ab, denn ggf. können auch künstlich Daten mit ähnlicher Struktur generiert werden. Vielmehr hängt die Qualität der Arbeit von der Fähigkeit des Studenten ab, die Antworten auf die gestellten Fragen aus den Daten herzuleiten.

Sehr häufig spielt aber auch der technische Aspekt eine nicht zu vernachlässigende Rolle, generiert viele Erfahrungen und aktiviert Wissen bei den Studenten aus vorherigen Semestern. Im 6. Semester können Wirtschaftsinformatikstudenten mit unterschiedlichen Datenformaten, IT-Systemen, Datenbanken und Dateiformaten umgehen. Viele Studenten machen hierbei jedoch die Erfahrungen, dass nicht jedes operative IT-System seine Daten „widerstandslos“ zur Verfügung stellt. Unterschiedliche Datei- und Datenformate stellen zum Teil erhebliche Anforderungen an die Datenextraktion aus den operativen Systemen.

Da­ten­auf­be­reit­ung und In­ter­pre­ta­tion

In einem weiteren Schritt gilt es die Daten für die anstehende Analyse aufzubereiten. Die Wahl des Analysewerkzeuges steht den Studenten offen. Sie können ihre Auswertungen mit Hilfe von Datenbankanwendungen (Microsoft SQL-Server™, Microsoft Access™, …), Tabellenkalkulationswerkzeugen (Microsoft Excel™, …) oder dezidierten Prüfwerkzeugen z.B. ACL™ durchführen.

Die Wahl des Prüfungs- bzw. Analysewerkezeuges und die Fragestellungen bedingen aber sehr häufig eine Bereinigung und Transformation der Daten als auch die Generierung zusätzlicher Felder in den extrahierten Tabellen.

Fehlende Ausprägungen in Felder müssen ergänzt bzw. mit Defaultwerten bestückt werden, Datums- und Zeitfelder müssen getrennt und in analysefähige Formate aufbereitet werden. Zeichenfelder müssen in Zahlfelder und umgekehrt transformiert und bereinigt werden.

Dieser Schritt ruft unter anderem die Lehrinhalte und die Fähigkeiten der Studenten aus den ersten Semestern ihres Studiums ab.

Neben der syntaktischen Aufbereitung des Datenmaterials ist die Fähigkeit der zielgerichteten Interpretation der Felder für ein erfolgreiches Projekt unumgänglich. Dieser Schritt zieht sich durch die gesamte Aufgabenstellung. Bereits bei der Generierung der Fragestellung müssen die Studenten eruieren, ob die Datenbasis auch entsprechende Felder in den Tabellen enthält, die geeignet sind, Informationen für die Beantwortung der Fragen zur Verfügung zu stellen.

Dieses Wissen kann nicht umfänglich gelehrt werden, denn jedes operative IT-System hat andere Mechanismen und Programmlogiken, die es gilt, für die Aufgabenstellung zu verstehen. Im Studiengang Wirtschaftsinformatik bekommen die Studenten an der THD bereits in den ersten Semestern Einblick in SAP® und sind somit in der Lage ein komplexes ERP-System einzuschätzen. Der Student muss verstehen, wie die betrieblichen Prozesse durchgeführt werden sollen und wie diese im konkret vorliegenden IT-System abgebildet werden. Anhand dieses Verständnisses kann er entscheiden welche Tabellen und Felder für seine Fragestellungen die wichtigen und richtigen sind.

Trans­for­ma­tion der Fra­ge­stel­lung in einen Al­go­rith­mus

Der bedeutendste Schritt liegt m.E. in der Fähigkeit, die zu Beginn gestellte Frage in einen zielführenden Algorithmus auf die zur Verfügung stehenden Daten umzusetzen.

Es geht um die Umsetzung im Analysewerkezug der Wahl. Welche Tabellen werden mit welchen Feldern wie und in welcher Reihenfolge miteinander verbunden, sortiert und/oder klassifiziert, damit die so generierten Teil-, Schnitt- und/oder Vereinigungsmengen an Datensätzen oder die ermittelten Kennzahlen möglichst treffsichere Aussagen bezüglich der Fragestellung ermöglichen? Eine weitere Fähigkeit kommt hier zum Vorschein: Ist der Student in der Lage seine vermeintlichen Ergebnisse kritisch zu hinterfragen, Plausibilitätsprüfungen durchzuführen und folgerichtig zu interpretieren?

Welche Annahmen liegen der Interpretation zu Grunde, gelten die Schlussfolgerungen aufgrund der Analyse für alle Ausprägungen oder könnte es Ausnahmen geben?

Der Prozess der Algorithmus-Generierung steht im engen Zusammenhang mit der Fähigkeit der Interpretation der möglichen Ergebnisse. Ist ein ´Inner Join´ oder ´Outer Join´ zweckmäßiger, soll zuerst gefiltert und dann klassifiziert werden oder umgekehrt? Viele dieser Fragestellungen werden in einem ersten Ansatz intuitiv beantwortet und werden dann im Laufe des Projektes angepasst bzw. die Ergebnisse legen eine Anpassung oder Änderung nahe.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist die Feststellung, dass auch eine Nichtbestätigung der Anfangsthese bzw. Fragestellung eine Lösung der Aufgabenstellung sein kann. Häufig haben subjektive Erwartungshaltungen bei der Fragestellung eine Bedeutung, die sich anhand der Ergebnisse nicht bestätigen lassen. Es ist auch ein Ergebnis und eine Erfahrung, dass sich anhand der vorhandenen Daten und der durchgeführten Analyse die Fragestellung eben nicht vollumfänglich beantworten lässt oder ein anderes Ergebnis erzielt wurde als erwartet.

Ne­ben­aspek­te

Im Laufe der Arbeit wird von vielen Studenten erkannt - nicht durch eine Vorlesung sondern durch eigene Erfahrungen an einem Projekt - wie wichtig Datenqualität, Datenkonsistenz und Aktualität der Daten für eine sinnvolle und zielführende Analyse sind.

Data Warehouse und Big Data Projekte scheitern sehr häufig am Fehlen dieser Voraussetzungen und so sammeln die Studenten beiläufig Erfahrungen, die ihnen nicht nur unmittelbar in der Datenanalyse für die prüfenden Berufe hilfreich sind sondern auch von allgemeiner Bedeutung für andere Aufgabenfelder sind.

In Zeiten von „App’s“, „Google Glasses“, „Sprach- und Gestiksteuerung“ drängt sich oberflächlich betrachtet der Eindruck auf, alles funktioniere per Druck auf den Button und einer zärtlichen Berührung einer Glasoberfläche. Datenanalyse (und nicht nur dieses Tätigkeitsfeld) erfordert eine gewissenhafte Methode, zielorientierte Vorgehensweisen, sorgsamen Umgang mit Ressourcen (Daten und Arbeitszeit der Beteiligten), ein vertieftes Verständnis von Prozessabläufen und deren Abbildung in den IT-Systemen, Beherrschung der Analysewerkzeuge und einen verantwortungsvollen Umgang mit Daten und der Interpretation von Analyseergebnissen.

IT-Compliance & Audit und Monitoring verschafft den Studenten einen Einblick in die Bedeutung des Rohstoffes Daten, dem verantwortungsvollen Umgang mit dieser Ressource und der Möglichkeit mit Hilfe von Daten einem Mehrwert für die Unternehmungen und die prüfenden Berufe zu generieren.

Sie finden die Technische Hochschule Deggendorf im Internet unter www.th-deg.de. Dort gibt es auch weiterführende Informationen über Prof. Herde, seine Publikationen und Schwerpunkte.

 

 

[1] Bei Personenbezeichnungen wird aus Gründen der Übersichtlichkeit stets die maskuline Form verwendet, es sind stets beide Geschlechter gemeint.


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